Der
II. Teil der Arbeit behandelt die kulturelle Tätigkeit in
Tegernsee um das Jahr 1000. Zu den Domfenstern zu Augsburg steht auf
Seite 77: "Auch der Dombau zu Augsburg wird häufig mit
Tegernsee in Verbindung gebracht, besonders sucht man die erhaltenen
Glasgemälde aus dem Ende des 11. Jahrhunderts der Abtei
zuzuschreiben, sie werden als unzweifelhaft Tegernseeisch bezeichnet. "
Als Quellen hierzu werden angegeben:
Cf. Br. 16 und die Annales Augustani 995 MG. SS. 3, 124,
Cf. Kuhn im Kunst- u. Gewerbeblatt zu Nürnberg 1878
Quellen und Literatur
Zur Geschichte der Glasmalerei im Mittelalter von Prof. Dr. Kuhn
"Man hat bisher angenommen, die Glasmalerei sei um das Jahr 1000 in
Deutschland und zwar im Kloster Tegernsee erfunden worden. Andere
führen die Erfindung auf Frankreich zurück und da beruft man
sich vor Allem auf eine burgundische Quelle, nemlich auf den Verfasser
der Chronik von S. Benigne in Dijon (L. d'Achery, Spicilegium tom.
II. Paris 1723. Chronica S. Benigni Div.. p. 383), welche erzählt,
dass die dortige Kirche ein uraltes Fenster mit Darstellungen aus dem
Leben der h. Pascasia besass, deren Reliquien in dieser Kirche ruhten."
S. 132
"Es war aber Adalbert, von Geburt ein Deutscher, ein Spross des Hauses
der Stadtgrafen von Verdun, welcher als Chorherr der deutschen Stadt
Metz auf Betreiben des Kaisers Otto I. den erzbischöflichen Stuhl
von Rheims erhielt, der obwohl zu Neustrien gehörig, unter dem
Schutze der Ottonen stand. Adalbero war ein Parteigänger des
deutschen Kaisers, ebenso wie der von Adalbert nach Rheims an die
Schule berufene Gerbert, der im Jahre 1000 durch Kaiser Otto III. den
päpstlichen Stuhl als Silvester II. bestieg, und vertraten Beide
die Interessen des sächsischen Hauses. Erst gegen Ende seines
Lebens schloss sich Adalbero an Hugo Capet an und setzte diesen auf den
Thron der Karolinger in Frankreich.
Der kunstsinnige deutsche Bischof Adalbert, welcher seine Kirche mit
verschiedenen Kunstwerken schmückte, und zwar, wie es bei Richer
heisst, gleich am Anfang seiner Regierung (969-988), konnte sich
hiefür keiner anderen kunstreichen Hände bedienen, als
solcher, die ihm damals zu Gebote standen. Und das waren
Mönchshände, oder Hände von geschickten Arbeitern, die
in Klöstern, diesen damals einzigen Zufluchtsstätten der
Kust, ihre Kunstfertigkeit verwertheten." S. 137
...
"Es ist uns das Gedicht des Möches von Sanct Gallen, Ratpertus,
erhalten, in welchem dieser, ein geborener Züricher, die
Pracht und den Glanz der unter Ludwig, des Deutschen, Tochter Bertha als
Äbtissin zwischen 871 und 876 eingeweihten
Frauenmünsterkirche zu Zürich seinem Mitbruder, dem
Mönche Notger in St. Gallen schildert." S. 138
...
"Ich habe oben bemerkt, dass man bisher angenommen hat, die Glasmalerei
sei um das Jahr 1000 in dem bayerischen Kloster Tegernsee
erfunden worden; man kannte ja diese Stelle beim Mönche
Ratpertus noch nicht.
Thatsasche ist, dass ein Graf Arnold 999 oder 1000 an den Abt Gozbert
von Tegernsee ein Glasfenster schenkte, welches die alten Vorhänge
ersetzen sollte, mit welchem bisher die Fenster der Klosterkirche
verhängt waren, wie wir aus dem Dankschreiben des Abtes an Graf
Arnold erfahren. (Pez & Huber, Thesaur. Anecdot. tom. VI. p. I. p.
122. n.3.)
Wir können auch den Inhalt des Schreibens (discoloria picturarum
vita) wirklich auf Glasfenster deuten; aber aus demselben Schreiben
geht hervor, dass der Ort, an welchem das fragliche Glasfenster
gemacht, nicht Tegernsee war; denn Graf Arnold schickt das Fenster
dem Tegernseer Abte. Es ist möglich, dass der Donator
Graf Arnold, über dessen Persönlichkeit uns die Urkunden
nichts erzälen (Die deutsche Geschichte aus der damaligen Zeit
kennt nur einen Grafen Arnold von Lambach, welcher 1035 hochbetagt
Markgraf von Kärnten wurde. Der ist es nicht. (cf. Gfrörer,
Papst Gregort VII. und sein Zeitalter. Bd. I, 421), seine Besitzungen
in der Nähe des Klosters hatte, da er als Guttäter desselben
wiederholt auftritt; es ist aber auch möglich, dass er ausser
diesen Gütern noch andere hatte, welche fern vom Kloster Tegernsee
im deutschen Lande lagen.
Graf Arnold hatte aber auch zugleich mit dem Glafenster junge
Glasarbeiter mitgeschickt, welche diese Kunst in Tegernsee zum Dienste
des Klosters fortsetzen sollten, wie aus dem Schluss des
Dankschreibens (Der Dankbrief des Abtes Gozbert lautet: Es ist unsere
Pflicht, Gott für Euch anzuflehen, indem ihr unsern Ort durch
solche Werke der Ehren erhöht habt, von denen wir weder wissen,
dass dergleichen in alten Zeiten vorhanden waren, noch hoffen konnten,
selber ähnliche zu sehen. Die Fenster unserer Kirche waren bis
jetzt durch alte Tücher geschlossen. Zu Euren
glückseligen Zeiten erglänzte der goldgelockte Sol zum
ersten Male durch die von Malereien bunter Gläser auf die Platten
des Fussbodens unserer Kirche und die Herzen aller derjenigen, welche
das manigfaltige ungewohnte Werk unter sich erblickten, werden von
vielfacher Freude erfüllt ...) von Abt Gozbert an den Grafen
Arnold hervorgeht." S. 139
Es folgen nun Überlegungen, woher die Glasarbeiter kamen (St.
Gallen, Constanz oder Reichenau), es werden die vielfachen Verbindungen
von Konstanz zu St. Gallen aufgezählt. St. Gallen wiederum stand
mit Tegernsee in "innigster Verbindung". Bei der Neugründung des
Klosters Tegernsee kamen die Mönche aus St. Gallen. "Unser
Tegernseer Abt Gozbert war an der Domschule zu Augsburg unter St.
Ulrich erzogen. Die Augsburger Domschule aber war von St. Gallen
beeinflusst. (Th. Herberger, die ältesten Glasgemälde im Dome
zu Augsburg. Augsburg 1860). ...
"Schon unter Abt Gozbert und seinen Nachfolgern Godehard und Beringer
wurde in der Glashütte Tegernsee (cf. Herberger 1. cf.) so
tüchtig gearbeitet, dass bereits 1005 für Bischof Gottschalk
von Freising und die Äbtissin eines ungenannten Klosters
Bestellungen ausgeführt wurden, welche sich so drängten, dass
den Aufträgen nicht genügt werden konnte.
Einer der hervorragensten Künstler war der Mönch Werinher,
der unter dem Abte Eberhard 1068-1091 die Tegernseer Kirche mit 5
Fenstern schmückte.
Von diesen Fenstern und anderen der frühesten Tegernseer Kunst existiert nichts mehr.
Unbedingt aber dürfen die uns noch erhaltenen fünf
Prophetenfenster in dem Augsburg Dom den Mönchen von Tegernsee
zugeschrieben werden." S. 140
"Ich habe oben bereits auf den regen Verkehr von Augsburg mit
Tegernsee hingewiesen, welche um so inniger war, als durch Bischof
Bruno von Augsburg, zwölf Benediktiner von Tegernsee mit ihrem
Abte Regionbald, welchen Einige als von St. Gallen gekommen
erwähnen, das Stift St. Ulrich Ende des 10. oder Anfang des 11.
Jahrhunderts übergeben wurde.
Ende des 10. Jahrhunderts aber wurde auch in Augsburg der Dom gebaut,
wahrscheinlich von den befreundeten Mönchen zu St. Gallen, der
ganze Bau aber erst im Laufe des 11. Jahrhunderts vollendet.
Bei einer solchen Lage der Dinge kann auch nicht des
leiseste Zweifel bestehen, dass zum Schmucke des neuen Domes diese neue
Erfindung der Glasfenster benützt und diese von den befreundeten
Tegernseer Mönchen hergestellt wurden.
Dies Fenster stellen die Propheten Moses, David, Jonas, Osea und Daniel
dar, welche Spruchbänder mit Text in den Händen halten. Die
Gestalten sind noch ganz typisch, ihre Gewandung zeigt mehr einen
byzantinischen Charakter und besteht aus einem langen, bis zu den Waden
herabreichenden Leibrock und einem Mantel, der durch eine runde Fibula
(Hafte) meist über der rechten Schulter zusammengehalten wird,
eine Art der Befestigung, der wir bei den Byzantinern immer begegnen.
Ausserdem tragen sie noch perlenbesetzte Klappschuhe und den spitzen
Judenhut.
Wenn wir nun auch nicht umhin können, anzuerkennen, dass diese
Figuren der Propheten in Zeichnung, Tracht, Haltung, den Miniaturen des
11. Jahrhunderts entsprechen, so dürften diese Glasmalereien doch
erst früherstens auf das Ende des 11. Jahrhunderts, sicherer auf
den Anfang des 12. Jahrhunderts zurückzuführen sein und nicht
schon bei der Einweihung des Domes durch den Bischof Gundekar von
Eichstedt 1065 unter dem Augsburger Bischof Embriko ihre Farbenpracht
entfaltet haben, wie Manche annehmen, da sonst diese Arbeit für
Augsburg gewiss auch unter den Arbeiten des kunstgeübten Werinher
genannt worden wäre; denn diese in Gold-, Silber- und Erzarbeit,
wie in der Glasmalerei gleich tüchtig geübte
Künstlerhand müsste um diese Zeit die Augsburger Glasfenster
gemacht haben, darüber ist uns aber nichts berichtet." S. 146
Anschliessend ist noch beschrieben,"dass wir auch in Hildesheim in den
ersten Dezennien des 11. Jahrhunderts auf die Kunst der Glasmalerei
stossen.
"Der Erklärungsgrund hiefür liegt einfach in dem Umstande,
dass nach dem Tode des kunstgewandten Bischofs Bernward von Hildesheim
der Abt Godehard von Tegernsee auf den dortigen Bischofsstuhl berufen
wrude." S. 146
Quelle:Kunst und Gewerbe. Wochenschrift zur Förderung deutscher
Kunst-Industrie. Herausgegeben vom Bayerischen Gewerbemuseum zu
Nürnberg. Redigiert von Dr. Otto von Schorn. 12. Jahrgang.
Nürnberg 1878. (Seiten 132-146)
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